Hier mein Beitrag zum Autoren-Adventskalender 2018.
Schaut vorbei!
Rockstarküsse unterm Weihnachtsbaum
„Mann, es stinkt hier
noch immer wie in einer Pommesbude“, maulte Sabrina, als sie ihre Küche betrat
und der Geruch nach Frittierfett ihr in die Nase stach.
„Dafür haben wir aber
perfekte Zigerchugele hinbekommen. Ich hoffe, deine Eltern mögen sowas“, rief
er aus dem Flur.
„Für Süßkram sind sie
immer zu haben, also!“ Sie nahm Alufolie aus der Schublade, deckte die Platte
mit den Schweizer Blätterteigkugeln ab und trug sie hinaus. Stellte sie neben
Ben an der Garderobe ab und nahm ihren Mantel vom Haken.
Bevor sie ihn anziehen
konnte, schlang Ben die Arme um sie und zog sie an sich.
„Deine Wangen sind ja
noch immer unanständig rosig.“ Er grinste sie an, und sie konnte gar nicht
anders, als es zu erwidern.
„Soviel ich weiß, ist
Weihnachten das Fest der Liebe. Ich finde, das muss man gebührend feiern.“
Er lachte und küsste
sie zärtlich. „Das sehe ich genauso.“ Dann ließ er von ihr ab.
Hamburgs Straßen waren
nur ein Quäntchen ruhiger, aber die Geschäftigkeit hatte einen feierlichen
Touch. Zumindest kam es Sabrina auf dem Weg zu Rita und Chris so vor.
Vielleicht war das aber auch nur ihr subjektiver Eindruck, der von ihrer eigenen
Stimmung herrührte.
Es war das erste Weihnachtsfest
in ihrem Leben, auf das sie sich wirklich gefreut hatte. Nicht nur, weil Ben an
ihrer Seite war, sondern in erster Linie, weil Chris zum ersten Mal mit ihnen
feierte. Der leibliche Vater, der sie seit ihrer Geburt liebte, sie und ihre
Mutter.
Und die gefühlskalten Familienfeiern
mit ihrem Stiefvater hatte sie für immer und ewig aus ihren Gedanken verbannt.
Er würde es nie wieder schaffen, ihr etwas zu verderben. Auch nicht aus der
Hölle heraus, in der er zweifelsohne schmorte.
Sabrina hoffte nur,
dass sie für alle die richtigen Geschenke besorgt hatte.
Rita öffnete ihnen die
Tür mit einem breiten Lächeln. „Frohe Weihnachten!“
„Frohe Weihnachten,
Mama! Du siehst toll aus!“ Sabrina umarmte ihre Mutter und trat dann einen
Schritt zurück, damit diese Ben begrüßen konnte.
„Vielen Dank.“ Sie nahm
Ben die Platte ab und strich sich mit der anderen Hand das dunkelrote Kleid
über der Hüfte glatt.
„Das habe ich ihr auch
schon ein paarmal gesagt“, bemerkte Chris von der Tür zum Wohnzimmer her und
folgte Rita mit dem Blick, die an ihm vorbei zum Esstisch ging.
„Hallo, Chris, frohe
Weihnachten!“
„Dir auch, mein
Schatz.“ Vater und Tochter umarmten sich und tauschten einen Wangenkuss.
Sabrina löste sich von
ihm und ging zu dem üppig geschmückten Weihnachtsbaum hinüber, hörte, wie die
Männer hinter ihr sich begrüßten. Sie kniete davor nieder, öffnete ihre Tasche
und holte die Geschenke hervor, um sie unter den Baum zu legen, zu den bereits
vorhandenen. Erstaunlicherweise waren viel mehr Päckchen drin, als sie hineingelegt
hatte. Die Namensschildchen in Bens Handschrift zauberten ihr ein Lächeln ins
Gesicht und eine wohlige Wärme in die Brust, und sie platzierte sie zwischen
allen anderen.
Dann brachte sie ihre
Tasche zur Garderobe und kehrte für den Begrüßungssekt ins Wohnzimmer zurück,
ließ sich von Ben einen Arm um die Taille legen.
„So, dann setzt euch
und lasst uns anfangen!“, scheuchte Rita sie schließlich zu Tisch.
Sie nahmen ihre Plätze
ein, und Sabrina ließ ihren Blick über die ganzen Köstlichkeiten gleiten, die
ihre Mutter zum Fondue Chinoise auf den Tisch gestellt hatte.
„Ich hoffe, es macht
euch nichts aus, wenn wir eine ganz neue Tradition begründen“, begann Rita und
lächelte in die Runde. „Zum einen habe ich keine Lust auf das typisch fette Festtagsessen,
und zum anderen habe ich gelesen, dass dieses Fondue mit pikanter Brühe gerne
in der Schweiz zu Weihnachten gegessen wird.“
Sie sah Ben direkt an,
er lachte. „Stimmt. In der Schweiz sitzen wir zu solchen Gelegenheiten gerne
mit Familie und Freunden zusammen und essen und reden viel. Da ist ein Fondue
die bequemste Variante.“
„Genau. Deswegen fand
ich das auch so passend. Möchtet ihr Wein oder Bier?“
Ben und Sabrina sahen
sich an und gaben eine einstimmige Antwort. „Bier.“
„Dachte ich mir.“ Chris
kam mit ein paar gekühlten Flaschen aus der Küche und verteilte sie, so dass
sich jeder selbst einschenken konnte.
Sie verbrachten beinahe
zwei Stunden mit Essen und Geplauder, dann räumten sie den Tisch ab und
wechselten zur Couch.
Chris holte zwei Akustikgitarren,
gab eine an Ben weiter und räusperte sich. „Ich habe mir überlegt, wir machen
immer eine Geschenkerunde und singen dann ein paar Weihnachtslieder.“
„So lange ich nicht
singen muss“, lachte Sabrina, zog ein Knie hoch und machte es sich in ihrer
Couchecke gemütlich.
„Dass könnt ihr gerne
uns überlassen“, meinte Ben und stimmte „Do They Know It’s Christmas Time“ an.
Die beiden Rockstars
gaben die verschiedensten Weihnachtslieder zum Besten, von klassisch bis
rockig. Zwischendurch verteilte Rita die Geschenke, die glücklicherweise alle gut
ankamen. Sogar die Männer hatten bestens überlegt und sehr persönliche
Geschenke gewählt.
Sabrina freute sich
noch immer über Bens letztes Geschenk, einen Silvester-Trip nach New York, und
summte bei seiner gefühlvollen Version von „Happy New Year“ von ABBA mit, da räusperte Chris sich.
„Ein Geschenk fehlt
noch“, meinte er und überreichte Sabrina eine flache Schachtel.
„Noch eines?“ Sie hob
die Brauen und nahm es entgegen.
Chris zuckte die
Schultern und grinste. „Ja, von Ben und mir.“
Sie löste die Schleife,
hob den Deckel und blickte hinab auf eine CD. Das Cover zeigte Harrisson und Ben und trug den Titel
„The One“. Sabrina strahlte erst ihren Vater, dann ihren Freund an.
„Ihr habt es schon aufgenommen? Heimlich?“
„Ihr habt es schon aufgenommen? Heimlich?“
Ben lächelte und
beendete den Song. „War sozusagen mein erstes Projekt als Produzent. Der Song
wird Anfang Februar veröffentlicht, das hier ist die exklusive Vorab-Pressung,
nur für dich.“
Sie quietschte und fiel
ihm um den Hals, dann ihrem Vater.
„Ihr beiden seid echt
die Besten. Oder, Mama?“
Rita lehnte ihren Kopf
an Chris‘ Schulter und lächelte. „Ja, ich glaube, da kann ich dir zustimmen.“
„Na, dann bin ich ja
beruhigt.“ Christ lachte und stimmte den schmalzigen Lovesong an, bei dem Rita
sich in ihn verliebt hatte. Die seufzte und schloss die Augen.
„Wenn du das spielst,
kannst du mit mir machen, was du willst.“
„Wirklich alles?“ Chris
zwinkerte Sabrina und Ben zu, seine Tochter grinste.
„Nicht vor den Kindern!“,
meinte sie und lächelte.
„Oh, ich hätte sie
schon gerne dabei.“
Sie knuffte ihn in die
Seite und kicherte. „Also, bitte!“
„Was denn? Willst du
etwa ohne unsere Tochter heiraten?“
„Nein, natürlich nicht,
was für eine …“ Rita verstummte, riss die Augen auf und schoss in die
Senkrechte. „Was hast du gesagt?“
Sabrina schlug die
Hände vor den Mund und starrte die beiden an.
Chris stellte die
Gitarre neben die Couch, sank vor ihrer Mutter auf ein Knie und nahm ihre
Hände. „Lass uns feiern, dass unsere Liebe nie erloschen ist, und den Weg einschlagen,
der damals nicht sein sollte. Willst du mich heiraten und den Rest unseres
Lebens mit mir verbringen?“
Zwei Sekunden lang
herrschte Stille, dann entrang sich ihrer Kehle ein ungläubiger Laut.
„Oh, Gott, ja. Den
Fehler mache ich nicht noch einmal!“ Mit Tränen in den Augen fiel Rita ihm um
den Hals, lachte, schluchzte. Bis er sie sanft von sich schob, in seine
Hosentasche griff und ein kleines Kästchen hervorzog.
Sabrina blinzelte gegen
die Feuchtigkeit in ihren Augen an und musste ein Lachen unterdrücken, als Ben
ihr ein Papiertaschentuch vor die Nase hielt. Sie trocknete ihre Augen.
Ihr Vater hatte in der
Zwischenzeit den Verlobungsring aus der Schachtel genommen und ihrer Mutter
angesteckt. Rita streckte die Hand von sich und starrte einen Moment darauf,
während Chris sich wieder neben sie setzte. Dann sah sie ihn an, legte die
Hände um sein Gesicht und gab ihm einen zärtlichen Kuss. „Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch“,
antwortete Chris und küsste sie noch einmal.
Sabrina sah Ben an und
lächelte, fühlte einen Anflug von Verlegenheit. Es war doch ein seltsames
Gefühl, ihren Eltern bei dieser Intimität zuzusehen.
Der zwinkerte ihr zu
und ergriff ihre Hand, drückte sie.
Sabrina schaute wieder
zu ihren Eltern hinüber und fühlte, wie ihr Herz vor Freude beinahe überquoll.
Endlich kam zusammen, was zusammengehörte.
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